Die Christrose hebt ihr weisses Haupt
Die Christrose hebt ihr weisses Haupt
In der schweigenden Welt,
Die der Winter umfangen hält,
Hebt sie einsam ihr weisses Haupt;
Selber geht sie dahin und schwindet
Eh’ der Lenz kommt und sie findet,
Aber sie hat ihn doch verkündet,
Als noch keiner an ihn geglaubt.
Johannes Trojan (1837-1915)
Licht im winterlichen Naturgarten
Helleborus niger, die Christrose, auch Schneerose, schwarze Nieswurz oder Lenzrose genannt, ist den meisten bekannt, da sie eine häufige Gartenzierpflanze ist, die gerne zur Winterzeit für Töpfe und Grabschmuck als Allerweltspflanze verwendet wird.
Wer sich aber aufmacht, die Wildform an ihrem natürlichen Lebensraum aufzufinden, wird ihrem eigenem Zauber sicher erliegen. Dies erlebte ich kürzlich auf einer Wanderung am Monte Caslano. Schon nach kurzem Aufstieg am Nordhang wurde ich mit weissen Blüten belohnt, die sich auf starken Stängeln dem Licht entgegenstreckten. Dabei brachten sie selbst viel Licht in den braunen Winterwald. Weihnachten war vorbei, aber ich konnte mir gut vorstellen, warum diese Pflanze Christrose genannt wird. Lichtbringend in der dunklen Jahreszeit, Leben in der Vegetationspause. Ihre dunkelgrünen Blätter, die in wintermilden Lagen erhalten bleiben, umgaben die Blüten und sorgten für Grün im kahlen Winterwald. Einige Pflanzen siedelten sich auch am Südhang im Übergang zum Wald an und wuchsen sogar im Kalkfels im Halbschatten. Dies zeigt die Anspruchslosigkeit und grosse Verwendungsbreite der Christrose.
Die Christrose kommt in der Schweiz ursprünglich im südlichen Tessin vor, wo z. B. sie in den kalkreichen Laubwäldern am Monte Caslano und San Salvatore wächst. Auch wenn man das südliche Tessin mit einem milden Klima verbindet, ist die Christrose in den Bergen bis ca. 1900 m winterhart und in Österreich und Bayern kommt sie in höheren Lagen häufig vor. Nur ist sie dann nicht wintergrün. In der Schweiz ist sie um den Zürichsee, dem westlichen Bodensee, am Genfersee und im Raum Basel aus Gärten verwildert. Wichtig für ein gutes Gedeihen ist ein durchlässiger, kalkreicher Humusboden, der im Frühjahr frisch, aber nicht feucht oder kalt sein sollte. Im Sommer bevorzugt die Christrose den kühlen, eher trockenen Halbschatten. Auf feuchten, schweren Böden neigt sie zu Wurzel- und Blattpilzen. Idealerweise verwendet man sie unter Laubgehölzen oder im Steingarten am Gehölzsaum. In den Naturgarten passt sie gut, da sie gerne ungestört wächst. Das Fallaub nutzt sie dankbar als Winterschutz und neuen Humuslieferant. Die Christrose lässt sich in kleineren Tuffs flächig verwenden und ist nach der Blüte eine attraktive Blattschmuckstaude. Sie verbreitet sich über Sämlinge in anderen Gartenbereichen, weil die Samen vor allem von Ameisen verschleppt werden. Ihre Blüten dienen Insekten (vorwiegend Hummeln) als erste Nahrung im Frühling und das für lange Zeit. Passende Pflanzpartner sind Veilchen, Primeln, Lungenkraut und andere Frühjahrsblüher, die gerne im Halbschatten unter Gehölzen wachsen. Schön auch zusammen mit der wintergrünen Wolfsmilch, Euphorbia amygdaloides oder dem Schildfarn Polystichum aculeatum.
Kombinationen mit spätaustreibenden Blütenstauden wie Lunaria rediviva oder Aruncus dioicus, sowie heimischen Gräsern des lichten Waldes, z. B. Wald-Reitgras Calamagrostis arundinaceae oder Wald-Schwingel Festuca altissima sind reizvoll, da sie auch durch die unterschiedliche Blattstruktur interessante Kontraste schaffen.
Um die Wildform zu erhalten, sollten keine Sorten oder Helleborus orientalis-Hybriden oder Helleborus viridis in der Nähe sein. Mit der nahen Verwandten, der stinkenden Nieswurz Helleborus foetidus, konnten wir noch keine Bastardbildung feststellen.
Wir bieten in der Gärtnerei 2jährige Sämlinge der Wildform an, die Sie im nächsten Winter mit den ersten Blüten erfreuen werden.